2014-12-30

Praktiflex

Ein echtes Schnäppchen konnte ich am 4. Adventsonntag auf e-bay machen. Am 26.12. kam es dann quasi als verspätetes Weihnachtsgeschenk bei mir an, total verdreckt, aber komplett und funktional. Ich habe also ein paar Stündchen geopfert, das Ding feinsäuberlich zerlegt (ist gar nicht so schwer) und habe die Einzelteile gebadet und geputzt. Jetzt strahlt die Praktiflex wieder in fast altem Glanz, hat ein paar kleine Schrammen hier und da, funktioniert aber noch! Den Spiegel habe ich nicht ganz sauber bekommen, hier hatte ich zuviel Respekt die spiegelde Schicht zu entfernen.
Der Spiegel ist übrigends das Besondere an dieser Kamera, da es der erste Rückschwingspiegel an einer KB-SLR überhaupt war. Das war 1939, zehn Jahre vor der seltenen ungarischen Gamma Duflex, oder 15 Jahre vor der Asahiflex IIb, die als Praktiflex-Nachbau die nächste kommerziell erfolgreiche SLR mit einem (echten) Rückschwingspiegel wurde. Der Spiegel der Praktiflex ist eigentlich eine recht simple Konstruktion, da direkt mit dem Auslöser gekoppelt. Drückt man diesen herunter klappt der Spiegel hoch und am unteren Druckpunkt löst der Verschluss aus. Lässt man dann den Knopf los klappt auch der Spiegel wieder nach unten. Es gibt allerdings keine mechanische Sperre, die verhindern würde, dass der Spiegel runterklappt bevor der Verschluss fertig ist. Das ist bei der Praktiflex kein größeres Problem, denn es gibt keine längeren Zeiten als eine 20stel. Spätere echte Rückschwingspiegel sind dann mit dem Verschluss gekoppelt und nicht mehr nur mit dem Auslöser. 


Dennoch ist das ein interessantes Merkmal für eine Kamera, die im Vergleich zu ihrer Dresdener Konkurrentin  (Kine-) Exakta wesentlich einfacher gebaut war, und mit nur 120 RM auch entsprechend günstiger zu bekommen war. Beide Kameras wurden relativ erfolgreich, auch wenn der 2. Weltkrieg die technische Weiterentwicklung für fast 10 Jahre verzögerte. Ich bin jedenfalls froh, nun zwei Kameras in meinem Regal stehen zu haben, die zu den ersten 40'000 SLR für den Kleinbildfilm überhaupt gehören (Am Ende werden es ca. 212 Millionen weltweit werden, aber dazu demnächst hier mehr).


Ansonsten ist die Ausstattung der Praktiflex  zeitgemäß gehobenes Mittelmaß. Den Tuchschlitzverschluss und den Vorspulknopf samt Bildzählwerk kennt man so ähnlich z.B. von der Leica, das Filmhandling mit fester Spule wirkt fast modern. Als Normalobjektiv wird (u.a.) das legendäre Tessar mitgeliefert, das mit sagenhaften 14 Lamellen eine fast kreisrunde Blende produziert. Als Anschluss fungiert ein M40x1 Schraubgewinde, erst nach dem Krieg wird daraus das bekannte M42. Die Geschichte von K&W ist auch interessant, aber da möchte ich auf die Links unten verweisen. Die Praktiflex ist die Urmutter des erfolgreichsten deutschen Spiegelreflex-Herstellers, auch wenn der sich später VEB Pentacon und nicht mehr Kamerawerkstädten Niedersedlitz nennen wird.

Datenblatt KB-Spiegelreflexkamera
(erste mit Rückkehrspiegel)
Objektiv Wechselobjektive mit M40x1 Schraubgewinde, z.B. Carl Zeiss Tessar 5cm f/3.5, 4 Linsen in 3 Gruppen.
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss mit 20-30-50-75-100-200-300-500 1/s und B.
Fokussierung Manuell am Objektiv, Spiegelreflex mit Einstelllupe (keine Mattscheibe!), keine sonstigen Einstellhilfen.
Sucher Spiegelreflex mit ausklappbarem Lichtschachtsucher, Einstelllupe, alternativ Sportsucher.
Blitz keine Anschlussmöglichkeit.
Filmtransport Drehknopf, Bildzählwerk, Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Leica-Glocke für Drahtauslöser, Rückkehrspiegel
Maße, Gewicht ca. 158x85x47mm, 682/812 g (o/m Objektiv)
Batterie keine.
Baujahr(e) 1939-1946, Version 8: 1940-1946, diese Kamera (Serien-Nr. 9121): ca. 1941
Kaufpreis, Wert heute 1939: 120 RM (mit Objektiv),
heutiger Wert ca. US$ 500/€ 350
Links Wikipedia, Taunusreiter, Camera-Wiki, Dresdener Kameras, Praktica Collector

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