2024-03-22

Krauss Peggy (Typ Norm)

Die Krauss Peggy gehört zu den wenigen frühen Leica Konkurrentinnen und damit in jede anspruchsvolle Kamerasammlung. Ich habe wirklich schon ein paar Jahre nach einer günstigen Gelegenheit Ausschau gehalten und endlich zuschlagen können. Bei mir reiht sie sich ein in die schon ganz stattliche Sammlung an 3x4-Kameras (127er Rollfilm) und natürlich anderen frühen Kleinbildkameras für den 35 mm Film (Leica III, Beira, Retina I, Dollina, und andere). Die Peggy wurde 1931 vorgestellt und kam wohl letztlich Ende 1931 oder Anfang 1932 auf den Markt. Sie ist technisch eine interessante Mischung aus traditionellen Elementen wie die Scherenkonstruktion zum Ein- und Ausfahren des Objektivs, (damals) modernen Merkmalen wie Gehäuseauslösung sowie wirklich innovativen Dingen wie das Filmmesser oder das "Geheimfach" für den Gelbfilter. 
Die Leica war 1931 schon ein paar Jahre auf dem Markt und setzte einen hohen Standard bezüglich Qualität und Bedienung. Im Vergleich zur Beira, die als einzige andere frühe 35 mm Konkurrentin technisch nicht wirklich mithalten konnte, zeigte die Peggy ernsthafte Ambitionen, Leitz die Kundschaft abzunehmen. Zwar gab es den üblichen Compur-Zentralverschluss (gut versteckt hinter der Frontplatte) und fest eingebaute Normalobjektive, dafür ein fast schon nach Zeiss Ikon anmutendes Filmhandling mit speziellen Patronen, die wie damals üblich in der Dunkelkammer geladen wurden. Rückspulen war nicht vorgesehen, dafür war die geschlossene Zielpatrone da. Mit dem eingebauten Messer konnte der Film an beliebiger Stelle geschnitten und der schon belichtete Teil entsprechend entwickelt werden. 




Fokussieren tut man mit dem rechten Drehknopf auf der Gehäuseoberseite, das macht natürlich am meisten Sinn mit einem gekoppelten Entfernungsmesser, das entsprechende Modell hieß Peggy II und kam wohl nicht lange nach dem ursprünglichen, allgemein Peggy I genanntem Modell auf den Markt. Aber auch Peggy I Kameras konnten nachträglich (natürlich gegen Aufpreis) mit einem solchen nachgerüstet werden. Frühe Kameras (sowohl Peggy I als auch Peggy II) hatten einen automatischen Verschlussaufzug, der beim Einfahren des Objektivs mit den einklappenden Scheren den Zentralverschluss spannte. Eigentlich eine tolle Sache, die zusammen mit der eingebauten Doppel- und Leerbelichtungssperre ein durchdachtes Konzept abgab. Allerdings gab Krauss dieses Feature relativ schnell wieder auf (vielleicht schon Ende 1932). Warum, bleibt im Trüben. Ob sich zu viele Kunden beschwert haben, die nicht zwischen jeder Aufnahme das ganze Objektiv ein- und wieder ausfahren wollten? Oder ob es zu viele technische Defekte an dem Mechanismus gab? Oder ist gar ein Wettbewerbspatent für eine solche Automatik aufgetaucht? Oder, vielleicht ganz einfach: Es war zu teuer in der Produktion. Jedenfalls gab es an den späteren Kameras ab ca. 1933 wieder den traditionellen Hebel zum Spannen des Verschluss', sowohl bei der Peggy II als auch bei der nun Peggy (Typ Norm) genannten Kamera hier. 
Die Krauss Peggy umrahmt von ihren Konkurrentinnen auf dem neu entstehenden Markt der Kleinbildkameras. 1934 hätte man in einem Fotogeschäft diese Wahl gehabt: Die hier abgebildete Leica III (inkl. Summar f/2) für 367,- RM, die Peggy für 125,- RM und die Kodak Retina wie abgebildet mit dem Compur Rapid für 85,- RM. Eine nach Peggy-Spezifikation ausgestattete Leica Standard hätte 167,- RM gekostet. Die Peggy war ähnlich solide und komplex gebaut wie die Leica und kostete in der Herstellung vermutlich ähnlich viel, konnte fotografisch aber ungefähr genau das selbe, was auch eine Retina lieferte. Diese war nicht nur 40% billiger, sondern passte auch besser in die Jackentasche.

Geöffnete Peggy und ihre spezielle Patrone, die andersherum eingesetzt
auch den belichteten Film wieder aufnimmt. Kein Rückspulen also!
Normale 135er Patronen passen auch als Filmquelle, wie man sieht.
Über die kleine Kameraschmiede G.A. Krauss aus Stuttgart habe ich schon in meinen beiden Beiträgen zur Rollette was geschrieben. Gegründet 1895 als Fotohandelsgeschäft von Gustav Adolf Krauss (*27.5.1863 +3.5.1929) in Stuttgart begann man ca. 1920 mit eigener Kamerafertigung. Mit bis zu 50.000 Rolletten war man am Ende der 1920er Jahre erfahren und wohl auch groß genug, um sich an das Wagnis Kleinbildkamera zu begeben. Aber vielleicht war auch ein wenig jugendliche Naivität dabei, gepaart mit dem allgemeinen Aufbruch der Kameraindustrie Richtung Kleinbild.  1929 war nämlich der Firmengründer Gustav Adolf Krauss im Alter von 66 Jahren gestorben und sein damals 28-jähriger Sohn Eugen übernahm die Leitung. Dieser darf nicht verwechselt werden mit Gustav Adolfs 6 Jahre älterem Bruder Eugen, der in Paris schon ab 1882 eine eigene Fotofirma betrieb. Der junge Eugen Krauss hatte jedenfalls technisch und feinmechanisch einiges auf dem Kasten und hat wohl die Peggy mehr oder weniger im Alleingang entwickelt. Jedenfalls zeugen eine ganze Reihe von Patenten von seinem Talent und seinem Ideenreichtum. Das Basispatent DRP 528942 wurde noch unter der Firma G.A. Krauss im Februar 1929 angemeldet, alle späteren Anmeldungen tragen stolz den Namen Eugen Krauss als Erfinder. Weitere Patente betreffen die Filmkapsel, die zur Filmkapsel gehörige Kamera, Scherenmechanismus, Führungsschienen der Filmkapseln, Bildzählwerk und Vorschubmechanismus, Fokussierung bei geschlossenem Gehäuse, Belüftungsöffnungen, das Filmmesser (Abschneidevorrichtung), und einige mehr. Eine sehr ansehnliche Zahl von wirklich innovativen Details stecken also in dieser Kamera und es ist wirklich erstaunlich, dass dieser kleine Hersteller mit nur ca. 8 Jahren "Rollette"-Erfahrung diese technische Meisterleistung tatsächlich auf den Markt gebracht hat. 
Abbildung des Kamerakonzepts aus der Basisanmeldung vom 12. Februar 1929. Bis Ende 1931 werden noch ca. 15 Details zur Kamera angemeldet und patentiert. 


Leider kam die Peggy zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. 1932 war in Deutschland das schlimmste Jahr der Weltwirtschaftskrise und die Industrieproduktion brach nochmal gegenüber dem schon schwierigen Vorjahr um 40% ein. Es herrschte Massenarbeitslosigkeit und auch die weltweit führende deutsche Kameraindustrie hatte arg zu kämpfen, wie man an den Beispielen der Produktionszahlen von Krauss' Stuttgarter Konkurrenten Nagel und der deutschen Objektivproduktion sehen kann. Der Kameramarkt stand außerdem an einem Umbruch, der vielleicht sogar mit der digitalen Fotorevolution der letzten Jahrhundertwende vergleichbar ist. Bis Ende der 1920er Jahre dominierte noch die Glasplatte bzw. der Planfilmpack die Profi- und Amateurfotographie, Plattenkameras wurden ab 1930 plötzlich zu Ladenhütern und Rollfilmkameras übernahmen den Amateurmarkt. Die Filmqualität war endlich reif für kleine Negative und 1930 bis 1932 buhlten 18 neue Kleinfilmkameras sowohl für 127er Film als auch den 35 mm Kinofilm um die Gunst der Kunden. 

gesichtete
Seriennummern
Für den kleinen Kamerahersteller Krauss musste es in einer solchen Situation besonders schwer gewesen sein, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten, zumal mit einem einzigen High-End Produkt, das sicher hohe Produktionskosten hatte. Hätte man noch eine einfachere und preiswertere Basiskamera produziert (z.B. eine Rollette für 120er Film?), dann wäre es vermutlich einfacher gewesen. Der Vergleich mit den beiden größeren Stuttgarter Konkurrenten lohnt: Contessa-Nettel hatte die Piccolette und Cocarette und war seit 1926 Nutznießer der internen Zeiss Ikon Konsolidierung, hatte also genug Kapital im Rücken. Nagel wurde zwar erst 1928 gegründet, produzierte aber aus dem Stand ein ganzes Portfolio von Rollfilmkameras. In der wirtschaftlichen Klemme 1931/1932 begab sich Nagel unter das schützende Kapitaldach von Kodak und überlebte so nicht nur, sondern konnte 1934 mit der Retina den ganzen Markt mit einem Kampfpreis von 75 RM aufmischen. Ich denke, damit wird verständlich, warum Krauss die Kameraproduktion Ende 1935 nach nur ein paar Tausend Peggy-Exemplaren einstellen musste und damit wieder zu einem einfachen Fotohandelsgeschäft wurde.

Die Zahl der jemals produzierten Peggy Kameras wurde übrigens von einer Quelle auf 10- bis 15-Tausend Stück geschätzt. Ich persönlich glaube, es waren weniger. Argument 1: Selbst in besten Rollette-Zeiten (1928-1931) hat Krauss nicht mehr als ca. 5000 Kameras pro Jahr produziert. Die Peggy ist deutlich aufwändiger und ich denke es werden maximal 2000 Stück pro Jahr drin gewesen sein, zumal in den oben geschilderten Zeiten der Rezession. Argument 2: Schaut man sich die seltsamen Seriennummern im Boden der Kameras an, findet man folgendes Muster: X1xx/y, mit X: Buchstaben zwischen A und O (15 Möglichkeiten), gefolgt von immer der "1", dann eine zweistellige Zahl (99 Möglichkeiten), der Schrägstrich und y: Zahlen zwischen 2 und 5 (4 Möglichkeiten). Ergibt: 15 x 99 x 4 = ca. 6000. Quelle: 17 Seriennummern aus dem Internet.

Ich persönlich bin wirklich froh, dieses seltene Schätzchen jetzt in der Vitrine neben ihren anderen 90-jährigen Zeitgenossen stehen zu haben. Da sie noch tadellos funktioniert, riskiere ich vielleicht auch mal einen Film, ich werde natürlich berichten... 

Datenblatt Frühe Kleinbildkamera für 35 mm Kinofilm
Objektiv Schneider Xenar 5 cm f/3.5 (4 Linsen, Typ Tessar). Serien-Nr. 595451 (1933). Auch erhältlich mit Zeiss Tessar f/2.8 und f/3.5, Zeiss Biotar 4.5 cm f/2, Schneider Xenon 4.5 cm f/2, Meyer Primotar f/3.5, Meyer Makro-Plasmat f/2.7.
Verschluss angepasster Deckel Compur Zentralverschluss hinter Frontplatte. B-1-2-5-10-25-50-100-300 1/s. Serien-Nr. 2893007 (1933). Verschlussspannen mit separatem Hebelchen. Frühe Peggy Kameras hatten stattdessen einen automatisierten Verschlussaufzug durch Ein- und Ausfahren der Objektivscheren (siehe Text).
Fokussierung mittels Drehrad auf der rechten Kameraoberseite, kleinste Entfernung 0.90 m. Modell Peggy II (oder Umbau) mit gekoppeltem Entfernungsmesser.
Sucher einfacher optischer Fernrohrsucher
Filmtransport mit Drehrad auf der linken Kameraoberseite. Film wird von spezieller Patrone in eine 2. Patrone transportiert, daher keine Rückspulen vorgesehen. Bildzählwerk (vorwärts), eingebautes Messer zum Filmabschneiden.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, Gehäuseauslöser mit Doppelbelichtungs- und Leerbelichtungssperre. "Leica Glocke"-Gewinde für Drahtauslöser, Stativgewinde 3/8'', Fach zur Aufbewahrung des Gelbfilters im Filmtransportdrehrad. 
Maße, Gewicht ca. 135x74x38 mm, 660 g (inkl. 2 Filmpatronen).
Baujahr(e) 1931-1934 (alle Peggy Modelle), diese # L160/4 ca. 1933, ca. 6000-8000 Exemplare (alle Varianten).
Kaufpreis, Wert heute 125 RM, heute je nach Zustand und Ausstattung 400 - 1000 €.
Links Camera-Wiki, Mike Eckman, earlyphotography, Leitzmuseum.org, Deutsches Kameramuseum
Bei KniPPsen weiterlesen Krauss Rolette, Krauss Rolette (2), 3x4 Kameras der frühen 30erLeica IIIBeiraRetina IDollinaund andere

Seite aus Photo Porst Katalog 1935


2024-03-02

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 4, sonstiges West-Europa)

Hier nun zu Teil 4 meiner Serie über die Geschichte(n) der Filmhersteller. Diesmal geht es um die anderen (nicht deutschen) West-Europäer, zumindest die wichtigsten von ihnen. Links zu den anderen Teilen siehe unten in der Tabelle.

Gevaert 

Mein Gevaert 127er Rollfilm,
Ablaufdatum Sep. 1946
Lieven Gevaert (*28.5.1868, +2.2.1935) übernahm nach der Ausbildung zum Chemiker die kleine Papiermanufaktur seiner Familie und produzierte dort ab ca. 1890 Fotopapier. 1894 gründete er mit seinem Partner Armand Seghers die Firma L. Gevaert & Cie, die nach einiger Zeit einen Pariser Wettbewerber übernahm (Blue Star Papers), die ein hervorragendes Gelatine-Papier hatten. 
Die Firma war sehr erfolgreich und schon 1904 zog man aus (dem engen und dreckigen) Antwerpen nach Mortsel um, auf ein großes Produktionsareal, das noch heute Sitz der Nachfolgefirma ist. Wann genau mit der Filmherstellung begonnen wurde, kann ich nicht genau nachvollziehen. Jedenfalls gibt es erste Rollfilmpatente von Lieven Gevaert aus 1919. 1920 wird die Firma in Gevaert Photo-Producten N.V. umbenannt und in den 20er und 30er Jahren wird man zu einer der wichtigsten europäischen Fotofirmen. Schon vor dem 1.  Weltkrieg hatte man Vertriebsniederlassungen in Paris, Wien, Berlin, Mailand, Moskau, London und in Südamerika gegründet. 
1928 kommt ein zweiter Produktionsstandort für die Filmunterlage (erst Nitrozellulose, später Triacetylzellulose)  in Heult bei Westerlo dazu. Ab 1935 bildet man mit Voigtländer das Joint Venture Voigtländer-Gevaert GmbH mit Sitz in Berlin. Gespräche mit Fujifilm in Japan über eine engere Zusammenarbeit scheitern, zeigen aber sehr schön, dass Gevaert damals in der 1. Liga der Filmhersteller mitspielte. Auch Kameras trugen einige Zeit den Markennamen Gevaert, diese ließ man allerdings im Lohn von kleineren Herstellern bauen. Auch ich habe eine davon von meinem Großvater geerbt
Während die großen Konkurrenten sich vornehmlich auf den Massenmarkt konzentrierten, eroberte sich Gevaert schon früh bestimmte Hightech-Nischen:  1929 wurde der erste Röntgenfilm vorgestellt, 1935 ein spezielles Papier für Dokumentenfotografie. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Gevaert zum Weltmarktführer in der Röntgenfilmtechnologie, produzierte Filme mit herausragenden technischen Merkmalen und nahm in den 1950er Jahren Filme und Platten für Astronomen und Kernphysiker ins Programm. Auch in den Bereichen Infrarotfotografie und Mikrofotografie (später Mikrofilm) machte man sich einen Namen.
In den 1950er Jahren bemühte man sich auch um eine Übernahme der am Boden liegenden Agfa in Deutschland, was allerdings scheiterte und schließlich in die 1964er Fusion beider Firmen in Form einer gegenseitigen Überkreuzbeteiligung mündete. Fortan gab es eine Agfa-Gevaert AG in Leverkusen und eine Gevaert-Agfa NV in Mortsel. Die Geschichten um den Niedergang der Filmindustrie ab den 1990er plane ich ein anderes Mal aufzubereiten. Jedenfalls existiert heute noch in Mortsel eine Agfa-Gevaert NV, die sich u.a. um die eben genannten Hightech-Nischen kümmert.  

Lumiere

Die Brüder Auguste und
Louis Lumiere
Die Société Lumière, wie die Firma ab 1928 (nach dem Tod von Joseph Jougla) und bis zu ihrer Fusion mit Ilford hieß, bestand schon seit 1911 und trug zunächst den sehr sperrigen Namen Union Photographique Industrielle des Etablissementss Lumière et Jougla reunis. Daran kann man schon ablesen, das es zwei Wurzeln gibt: 

1) die 1884 gegründeten Etablissements Graffe & Jougla, die sehr erfolgreich die Trockenplatten der Marke As de Trèfle produzieren und vermarkten. Ab 1900 wird die Firma nach dem Tod von Graffe durch Joseph Jougla alleine geführt und zieht in eine neuen Fabrik in Jointville-le-Pont bei Paris, der auch später ein Produktionsstandort von Lumiere bleiben sollte. 

2) die 1882 gegündete Firma Société Antoine Lumière et ses fils in Lyon, wobei die genannten Söhne die berühmten Brüder Auguste und Louis Lumière sind. Deren Geschichte ist faszinierend und ihre Bedeutung für die Entwicklung des Kinos und damit natürlich des fotografischen Films enorm, würde aber diesen Rahmen hier sprengen.
Auch die Lumiers produzieren zunächst erfolgreich Trockenplatten unter der Marke Blue Label. Beide Wurzelfirmen entwickeln unabhängig voneinander je ein Farbfotografie-Verfahren (Jougla: Omnicolor , Lumiere: Autochrome), und wurden schließlich durch den auch in Frankreich größer werdenden Konkurrenzdruck durch Kodak 1911 in die Fusion gedrängt. 
Ab wann genau Lumiere in Lyon tatsächlich Film auf Zelluloid hergestellt hat, konnte ich nicht herausfinden. Jedenfalls verwendeten sie schon 1895 einen 35 mm breiten Filmstreifen für die Produktion des 45 Sekunden langen Kurzfilms La Sortie de l'usine Lumière à Lyon, der die Brüder (insbesondere Louis) neben Thomas Edison zu DEN Kinopionieren macht. Aber beide haben vielfältige andere Interessen und überlassen das Kino bald anderen. Auch aus ihrer Firma ziehen sie sich in den 20er Jahren aktiv zurück und überlassen die Geschäftsführung irgendwann komplett Auguste's Sohn Henri Lumière, der die Firma bis zu seiner Pensionierung 1964 führt. Als letzte Amtshandlung hat er seine Firma an die Schweizer Ciba verkauft, die fast gleichzeitig auch die Mehrheit an Ilford übernommen hat und so neben der Chemie auch zu einem Fotounternehmen wurde (mehr dazu siehe unten bei Ilford). Die Produktion in Lyon wird 1975 eingestellt, im Werk in Paris wurden schon seit 1928 keine fotosensitiven Materialien mehr produziert, sondern Kameras, die ebenfalls die Marke Lumiere trugen. Wann dort Schluss war, habe ich nirgends gefunden. 

Pathé Frères

Die Gebrüder Pathé hatte ich lange nicht auf dem Zettel, aber der Name Pathé tauchte hier und da (z.B. bei Kodak und ferrania) auf und da habe ich doch mal genauer hingeschaut.  Wie man am Bild links sieht, gab es tatsächlich mal Rollfilme, aber Pathé war insbesondere bei der Herstellung von Kinefilm und allgemein bei der Produktion und Vermarktung von frühen Kinofilmen aktiv und in der frühen Zeit des Kinos größter Konkurrent von Eastman Kodak. Treibende Kraft war insbesondere Charles Pathé, allerdings bleiben verschiedene Wikipedia-Seiten recht wage bei den Einzelheiten rund um die Filmherstellung selbst. Ich reime es mir ungefähr so zusammen: Die Firma wird 1897 gegründet und Pathé wird schon um die Jahrhundertwende der erste große Konkurrent zu Eastman Kodak. Angeblich erreicht man beim Kinefilm 1904 einen (Welt-) Marktanteil von 30-50%. 1907 wird die neue Filmfabrik in Vincennes eröffnet, allerdings steigt zwar weltweit die Nachfrage nach Kinefilm rasant, der Marktanteil von Pathé schrumpft aber mittelfristig, weil auch andere in die Filmproduktion einsteigen (Perutz, Agfa, Lumiere, usw.), Pathé selbst gründet in Italien das Joint Venture FILM, das später zu Ferrania werden sollte (siehe unten). In den 1920er Jahren - Charles Pathé geht aufs Rentenalter zu - teilt sich der Pathé Frères Konzern in verschiedene eigenständige Firmen auf, deren Nachfolger zum Teil heute noch existieren. 1927 verkauft man das Filmwerk in Vincennes an Kodak. Charles Pathé behält eine Minderheitsbeteiligung und die Firma heißt offiziell auch Kodak-Pathé, ist de facto aber Kodak's Arm in Frankreich, genauso wie die Kodak AG in Deutschland. Von wann bis wann es Rollfilme unter der Marke Pathé tatsächlich gegeben hat, konnte ich nicht rausfinden.  

Tellko - Ciba

Viel findet man nicht zu diesem kleinen schweizerischen Filmhersteller, der 1935 in Fribourg angeblich von 3 Italienern gegründet wurde und wohl sehr anständige Schwarzweiß-Filme produzierte. Die Geschichte bekommt ab 1946 mehr Substanz, als man Wilhelm Schneider als Technischen Direktor anheuert, einer der Erfinder des Agfa-Farbfilms, dessen Rezepturen und Patente nun wegen des verloren Krieges allen Wettbewerbern zur Verfügung standen. Tellko leiht Schneider auch als Berater an Ferrania aus und ich vermute, dass zwischen den beiden Firmen sowieso eine engere Kooperation bestand. Telcolor kommt Anfang der 1950er auf den Markt, als einer der ersten Agfacolor-Klone, mit ähnlich geringen Empfindlichkeiten wie die meisten anderen Farbfilme der Zeit (13/10° DIN, entspricht heute ISO 32/16). 

Ab 1963 gibt es endlich eine neue höher empfindliche Farbfilmgeneration, die allerdings nicht mehr von Tellko selbst hergestellt, sondern von Ferrania im Lohn produziert wird. Tellko selbst wurde 1960 von der Ciba AG übernommen und bildete die Keimzelle von Ciba's weiterer Expansion als Fotokonzern. 1963 und 1964 werden eine Mehrheitsbeteiligung an Ilford und Lumiere übernommen und man baut außerhalb von Fribourg in Marly ein neues hochmodernes Fotowerk, um dort hauptsächlich Cibachrome zu produzieren, basierend auf einem ursprünglich vom ungarischen Chemiker Bela Gaspar erfundener Silber-Farbstoff-Bleichprozess, der direkte Farbabzüge vom Diafilm in hoher Qualität zuließ. 

Ilford

Das "Paddle-Steamer" Warenzeichen
wurde in Variationen von 1886 bis 1945
verwendet.
Die Firma Ilford geht zurück auf einen Trockenplatten- und Fotopapierhersteller der 1879 vom Fotografen Alfred Hugh Harman (*1841, +1913) im kleinen Ort Ilford in der damaligen Grafschaft Essex unter dem Namen Britannia Works gegründet wird. Die Firma wächst und gedeiht und bleibt fat 20 Jahre in Privatbesitz. 1898 erfolgt die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und Harman zieht sich von der Leitung der Firma zurück, bleibt aber als Berater und Teilhaber verbunden. Ein Namensstreit mit dem Konkurrenten Marion über die Marke Britannia führt letztlich (1900) zur Umbenennung der Firma in Ilford, Limited (das Komma ist wichtig).
Kodak war in Großbritannien ab 1885 mit einer Vertriebsgesellschaft aktiv und startete die eigene lokale Produktion in Harrow 1891. Es gab wohl ab 1897 einige Versuche von Kodak, Ilford zu übernehmen oder zu fusionieren, die aber am Widerstand von Ilfords Eigentümern scheiterten. Angeblich war Alfred Harman 1902 oder 1903 für eine solche Fusion, hatte aber nicht mehr genügend Einfluss. Wie viele internationale Wettbewerber hat Ilford über die Jahrzehnte (seit 1900 bis ca. 1967) auch Kameras produziert, oder meist von anderen im Lohn produzieren lassen. Viele davon waren einfache und billige Kameras, einfach zu dem Zweck Film und Foto zu den Massen zu bringen. Angeblich hatte man Ende der 50er und Anfang der 60er mit ihrer Sportsman-Serie (produziert von Dacora in Deutschland) in Großbritannien einen Marktanteil von über 50%!
 
Ab Ende der 1890er Jahre wurden wohl (Plan-)Filme auf Zelluloid-Unterlage produziert, die nicht selbst hergestellt, sondern zunächst aus den USA und später von Gevaert in Belgien importiert wurde. Ab 1912 gab es Bemühungen auch Rollfilme zu produzieren, der tatsächliche Start am Markt damit war aber erst 1915.   
In der Zeit zwischen 1918 und 1939 gewinnt Ilford, Limited schrittweise die vollständige Kontrolle über fast alle Fotounternehmen im United Kingdom mit Ausnahme von Kodak. Dies geschieht zunächst (1920) über die Selo Company, wobei mir trotz mehrfachen Lesens der Quellen unklar ist, ob damit ein Hersteller-Kartell oder tatsächliche (Überkreuz-)Beteiligungen der beteiligten Firmen, ein Joint Venture (immerhin wird in Brentwood, Essex ein neues Filmwerk gebaut) bzw. die Übernahme durch Ilford gemeint ist. Jedenfalls gehen im Laufe von 10 Jahren die folgenden Trockenplatten-, Fotopapier-, Fotochemie- und Filmhersteller in Ilford auf: Imperial Dry Plate Co.Ltd, Thomas Illingworth & Co.Ltd, Gem Dry Plate Co.Ltd, Wellington & Ward Co. Ltd, Paget Prize Plate Co. Ltd., Rajar (Apem, Ltd.). Interessanterweise wird der Name Selo ab 1930 als Marke für Rollfilm gebraucht, der im Selo Werk hergestellt wird, aber von 6 dieser Firmen inklusive Ilford irgendwie noch unabhängig vermarktet wird. Dieser Markenname wird in den 1940er und 1950er Jahren immer mehr fallengelassen, Ilford bringt Filmprodukte unter eigener Marke neben Selo-Produkten heraus. Ab 1946 tritt man selbstbewusst mit der neuen Dachmarke ILFORD auf allen Produkten auf, behält aber den Namen Selochrome für einen speziellen SW-Film bis 1968 im Programm. 

Ilford's Geschichte im zweiten Teil des 20. Jahrhunderts ist geprägt von dem Versuch, Anschluss an den Farbfilmarkt zu bekommen. Während Kodak und Agfa bekanntlich 1935/36 den modernen Farbfilm erfanden, investierte Ilford in Dufaycolor, einem additiven Film a la Autochrome, mit wenig Erfolg. Versuche ab 1938 es Agfa und Kodak nachzumachen scheiterten letztendlich am Ausbruch des 2. Weltkriegs. Auch nach dem Krieg, als die Agfa-Patente allen zugänglich waren, schaffte man es nicht richtig Fuß zu fassen. Es gab zwar 1948 einen Ilford Colour "D" Diafilm, ähnlich zu Kodachrome, aber richtig durchstarten mit Farbfilmen tat Ilford nicht. In den 1950er Jahren kooperierte man daher mit der ICI (Imperial Chemicals Industries Ltd.), DEM britischen Chemie-Konzern, der auf eigene Faust Entwicklungen zum chromogenen Farbfilm angestellt hatte und sogar Patente dazu besaß. 1959 übernimmt die ICI die Mehrheit an Ilford und Anfang der 1960 kommt Ilfocolor in die Läden.

Doch die Konsolidierung am Film- und Fotomarkt ist voll im Gange, schon ab 1963 steigt die schweizerische CIBA AG in Ilford ein und übernimmt bis 1969 die kompletten Anteile der ICI. CIBA formt aus Ilford, der zuvor schon übernommenen französischen Société Lumière und dem Schweizer Foto-Unternehmen Tellko einen neuen multinationalen, europäischen Filmhersteller. Fokus ist Cibachrome (siehe oben bei Tellko), Ciba/Ilford entwickeln das Verfahren zur Marktreife und errichten dafür ein neues hochmodernes Film- und Fotopapierwerk in Marly (Schweiz), Ilford's sonstige Aktivitäten (SW-Film, SW-Fotopapier) werden mittelfristig in  Mobberly (ehemals Rajar, s.o.) konzentriert. Die ehemaligen "Selo-Werke" in Brentwood, Essex werden schon 1983 geschlossen, Lumiere in Lyon schon 1976. Die Farbfilme (Cilcolor, Ilfocolor) sind ab den spätern 1960ern "nur" noch zugekauft (Konica !) und umkonfektioniert.
1989 verkauft Ciba-Geigy (seit 1970) seine gesamte Fotosparte als Ilford Ltd. an den amerikanischen Papierhersteller International Paper, der sie 1990 mit seiner eigenen Grafik-Papierfirma Anitec zu Ilford Anitec Ltd. fusioniert. Der Abstieg hatte aber schon begonnen, 1997 übernimmt ein Finanzinvestor, 2004 ist die Firma pleite. Die Digitalfotografie hat der Analogfotografie schneller als gedacht komplett den Wind aus den Segeln genommen. Es folgt die Aufspaltung des UK-Teils in Mobberley und des Schweizer Teils in Marly, die eine Zeitlang unabhängig voneinander am Markt mit der Marke ILFORD auftreten, jetzt beide mit z.T. digitalen Fotoprodukten wie Inkjet-Fotopapieren. Es folgen schwierige Jahre, deren Geschichte ich ein anderes Mal aufbereiten will.

Ferrania - 3M

Die Ursprünge von Ferrania gehen zurück auf das im Jahr 1882 gegründete Sprengstoffunternehmen  SIPE (Società Italiana Prodotti Esplodenti) aus Mailand, das während des 1. Weltkriegs im kleinen Ort Ferrania in Ligurien ein Nitrozellulose-Werk (Schießbaumwolle bzw. Zelluloid) errichtet. Am Ende des  Krieges stellt man auf Zelluloidfilm als Produkt um und gründet mit den Pathé Frères (siehe oben) das Joint Venture FILM (Fabbrica Italiana Lamine Milano), um dem wachsenden Bedarf an Kinefilm zu decken, der 1923 von der Firma erstmalig auf der Turiner Industriemesse präsentiert wird. 
1926 verkauft Pathè seine Beteiligung an eine italienische Bank. 1932 übernimmt man den Trockenplattenhersteller Cappelli und nennt sich schließlich Cappelli-Ferrania. Die Firma expandiert weiter unter wechselnden Besitzern, übernimmt den anderen Mailänder Trockenplattenhersteller Tensi und landet schließlich bei der in Turin ansässigen IFI (Familie Agnelli, FIAT). Ab Ende der 1930er-Jahre werden auch Kameras produziert und 1938 der Firmenname in schlicht Ferrania geändert.
Die größte Expansion und der Höhepunkt der Popularität von Ferrania erfolgt in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Filme wie Ferraniacolor oder der Schwarzweißfilm Pancro 30 (P30) produziert werden. Ferraniacolor wurde nach dem Agfa-Prozess hergestellt und in Zusammenarbeit mit Tellko unter Beratung durch Wilhelm Schneider entwickelt. 
In der globalen Filmkonsolidierungsphase 1964 erfolgt die Übernahme durch die amerikanische Minnesota Mining and Manufacturing Company (3M), wonach man als Ferrania 3M weiter firmierte. Ab den 1970ern avanciert 3M neben Konishiroku zum wichtigsten Hausmarkenhersteller, bot aber auch eigene Marken wie Solaris, Dynachrome und Scotch Chrome an. Bis 2007 blieb Ferrania der einzige Hersteller von 126 „Instamatic“-Filmen, nachdem Kodak diese 1999 einstellte.
Ab 1999 gab es wieder ein paar Eigentümerwechsel und Rettungsversuche bis 2009 nach der Pleite die Produktion eingestellt wurde. Mit Resten aus der Konkursmasse und neuem Kapital wurde 2013 FILM Ferrania s.r.l. neu gegründet und produziert inzwischen wieder Filme für die wieder aufkeimende Analogfotonische.


Bei KniPPsen weiterlesen Kleinbildfotografie aus der FilmperspektiveFilmhersteller (Teil 1, Deutschlands große)Filmhersteller (Teil 2, Deutschlands kleine), Filmhersteller (Teil 3, japanische Hersteller), Gevaert Superchrom Express Film, Ilford PE Fotopapier, Ferrania Tanit
Links fr.wikipedia.org/Societe  Lumiere, Gevaert (Filmlexikon), Historic Camera (Gevaert), Ilford Chronology, Ilford history (analougewonderland)Adox in Marly

2024-02-06

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 3, japanische Hersteller)

Nach meinen beiden anderen Beiträgen über die 5 großen und 8 kleineren deutschen Filmhersteller dachte ich, dass ich im dritten Teil einfach den Rest der Welt abhandele. Ich habe mich also an die Japaner gemacht und schnell festgestellt, dass diese alleine einen ganzen Post füllen werden. Natürlich ist die Quellenlage eine andere und mir fällt auch die Einordnung der Fakten in den historischen Kontext deutlich schwerer als bei den Deutschen. Trotzdem fand ich es extrem spannend, die eigene Aufarbeitung der Fujifilm- Geschichte zu lesen und mit ein paar anderen Quellen abzugleichen. Neben den folgenden zwei kleinen (hier unbekannten) und den beiden großen Filmherstellern gab es in Japan vermutlich noch die eine oder andere frühe Manufaktur. Wer weitere Infos dazu hat, bitte melden.
Oriental Anzeige in einem britischen
Fotomagazin 1937


Asahi - ASK

Asahi Shashin Kōgyō K.K. (übersetzt Asahi Foto Industrie Aktiengesellschaft) war ein kleiner Fotopapier- und Filmhersteller in den 1930ern, der seinen Film und Fotoprodukte u.a. unter der Marke ASK vertrieb. Im November 1943 wurde wegen des schlimmer werdenden Krieges und seiner wirtschaftlichen Folgen Konkurs angemeldet. Angeblich blieben danach nur die folgenden drei Hersteller auf dem Markt...


Oriental

Oriental Shashin Kōgyō K.K. (Oriental Foto Industrie Aktiengesellschaft) wurde 1919 gegründet und war angeblich der erste Hersteller von Rollfilmen in Japan, vorher wurde von Konica lediglich Planfilm hergestellt. Die Anzeige rechts beweist, dass sie auch mal auf Exportmärkte abgesehen hatten, allerdings anscheinend ohne großen Erfolg. Zu Oriental gehörte wohl auch der Kamerahersteller Tōyō Kōki. Als ich nachschauen wollte, bis wann Oriental Film produziert hat, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass es sie wohl noch gibt und lesen, dass vermutlich alle Fujifilm Schwarzweißfilme inzwischen von Oriental hergestellt werden


Konica - Sakura

Konica in Japan kann man entfernt mit Voigtländer in Deutschland vergleichen: Die älteste Fotofirma am Platz, man produziert Objektive, Kameras und auch fast alle Verbrauchsmaterialien, inklusive Film und Fotopapier. Die Firma geht zurück auf eine Apotheke bzw. Drogerie, die 1873 beginnt Fotomaterialien zu produzieren und zu verkaufen. Die Details der frühen Jahren kann man woanders nachlesen, jedenfalls war Konishiroku (wie die Firma in Abwandlungen die meiste Zeit über hieß) in vielen Fällen die erste in Japan: Die erste Kamera (Cherry, 1902), die einen Namen trägt und entsprechend vermarktet wird, Trockenplatten und Planfilme aus eigener Herstellung, die erste in Serienproduktion hergestellte Kamera (Pearlette, 1925). Ab 1929 dann der eigene Rollfilm, der unter der Marke Sakura vertrieben wird. Hier war Konishiroku nach Oriental nur auf Platz 2. 1940 dann hatte man mit Sakura Color den ersten japanischen Farbfilm am Markt (nach dem Kodachrome Verfahren). 
1947 bringt man dann die erste Konica genannte Kamera (von Konishiroku Camera), nach der die komplette Firma schließlich 1987 umbenannt wird. Gleichzeitig wird auch der bisherige Film-Markenname Sakura durch Konica ersetzt. Konica spielte nach der Konsolidierungswelle der 1960er und 1970er Jahre eine solide Nummer 4 auf dem Parkett der globalen Filmherstelller (nach Kodak, Fujifilm und Agfa-Gevaert). Bekannterweise fusioniert Konica 2003 mit Minolta zu Konica-Minolta, die 2006 komplett aus dem Fotogeschäft aussteigen. Die Kameras gehen an Sony, das Filmgeschäft an Dai Nippon Printing (DNP). 2007 werden von DNP nochmal neue Centuria Filme auf den Markt gebracht, das Geschäft wohl mangels Erfolg schon 2 Jahre später wieder eingestellt. 

Fujifilm

Fuji Photo Film Co., Ltd. (heute Fujifilm Holding) wird Anfang 1934 von der Dainippon Celluloid Co., Ltd. (heute Daicel Corp.) als Tochterfirma abgespalten und beginnt im selben Jahr mit der Produktion im neu errichteten Filmwerk in Ashigara (Kanagawa Präfektur), 35 km Luftlinie vom Gipfel des Mount Fuji. Die Dainippon Celluloid war 1919 als Zusammenschluss von 8 kleineren Zelluloid-Fabriken entstanden und sind das Unterfangen "Wir erschaffen einen japanischen Filmhersteller" generalstabsmäßig angegangen. Angeblich hatten sowohl Kodak als auch Agfa 1921 in Japan Agenturen gegründet, um ihre jeweiligen Filme zu vermarkten. 1924 bietet man Kodak eine Partnerschaft an, die aber ablehnen. Daraufhin entscheidet man es auf (fast) eigene Faust zu versuchen. 
Blick auf den Fuji, aufgenommen aus dem Shinkansen von mir
selbst 2007 auf dem Weg von Tokio zu Fujifilm in Ashigara.
Dieser Blick hat wohl vor 90 Jahren die Namenswahl inspiriert.
Man sucht auf dem Land eine geeignete Stelle für die neue Filmfabrik, findet sie im ländlichen Ashigara (saubere Luft, frisches Wasser, etc.), schickt Leute nach Europa, um Maschinen zu kaufen und Know-How abzugreifen und investiert ab 1926 in den Trockenplattenhersteller Toyo Kanpan, der auf ein Fotoforschungsinstitut von Shinjiro Takahashi zurückgeht. Takahashi hatte sich schon in den 1890er Jahren mit Fotografie beschäftigt und dann 1910 sein Institut gegründet. In Europa spricht man auch intensiver mit der belgischen Gevaert, kann sich aber auch nicht auf die Bedingungen einer engeren Zusammenarbeit einigen. Dafür gewinnt man den deutschen Ingenieur Dr. Emil Mauerhoff (s. unten) und seinen amerikanischen Assistenten Francis Gilroy, die insbesondere bei den Qualitätsproblemen beim Hochfahren der Produktion 1934 helfen. Nach der Gründung der Fuji Photo Film wird die Toyo Kanpan komplett integriert und man hat somit das ganze Programm von Film über Trockenplatten und Fotopapier. 
Die ersten Jahre werden als sehr schwierig beschrieben, insbesondere weil Kodak und Agfa die Preise drastisch senken, um den neuen Wettbewerber unter Druck zu setzen. Außerdem sind wegen der anfänglich nicht ausgereiften Qualität des Films die Vorbehalte der Filmstudios groß, eigenen japanischen Film zu verwenden. Schon 1934 kauft man sich also kurzerhand ein eigenes Filmstudio als Testinstitut und um der Branche zu beweisen, dass japanischer Film anstelle von Importfilm verwendet werden kann. Man eröffnet bis 1938 weitere Standorte (z.B. Odawara) als Rückwärtsintegration in die eigenen Rohstoffe (auch Gelantine) und baute sein Produktportfolio recht eindrucksvoll aus. Im April 1937 wurden erstmals schwarze Zahlen geschrieben und die Firma zahlte ihrer Muttergesellschaft und anderen stillen Teilhabern eine erste Dividende von 6%. 
Der 2. Weltkrieg betraf Fuji Photo Film etwas anders als die deutsche Konkurrenz. Man wurde zwar auch in die Kriegswirtschaft eingebunden und musste andere Güter produzieren, profitierte aber auch durch erzwungene Zusammenarbeit mit anderen Firmen, die z.T. nach 1945 Teil von Fujifilm blieben, und konnte bis 1944 weiter forschen. Zwar wurde Tokio von amerikanischen Bombenangriffen weitgehend zerstört, die Fuji Fabriken bekamen aber vergleichsweise wenige Schäden ab. Ein interessantes Kapitel ist die versuchte Evakuierung (April 1945) des Hauptstandortes Ashigara in die damals japanisch besetzte Mandschurei (Nord-China) inkl. Maschinen und 62 Schlüsselmitarbeitern und deren Familien. Die Evakuierung scheitert, weil amerikanische Bomber die drei Transportschiffe daran hindern ihr Ziel zu erreichen. 
Fuji Color Rollfilm (1948)
Nach dem Krieg kommt man relativ schnell wieder auf die Füße und bringt schon 1948 zwei Meilensteine für den nun folgenden rasanten Aufstieg zu einem der Weltmarktführer. Zum einen natürlich FujiColor-Film auf Basis des nun offengelegten Agfa-Verfahrens, angereichert mit eigenen Entwicklungen. Zum zweiten Fuji's erste Kamera (Fujica Six), die von einer während des Kriegs übernommenen Firma prouziert wird. Fuji hatte inzwischen auch selbst optisches Glas im Portfolio und mauserte sich auch zu einem Objektivhersteller. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wächst man weiter und spielt bald in der ersten Liga der Fotokonzerne mit. 
Die internationale Expansion geht zunächst über die Gründung von Vertriebsorganisationen (Brasilien, USA, Düsseldorf 1966 für Europa, etc.) und man ärgert die großen der Branche (Kodak, Agfa) durch preiswertere Filme bei hoher Qualität. Fuji steckt viel Geld in Marketing und Werbung und ihr großer Durchbruch ist die Nominierung zum offiziellen Film der olympischen Spiele 1984 in Los Angeles. Schon 1982 hat man in Holland einen Produktionsstandort in Europa eröffnet, 1988 folgt ein großes Film- und Fotopapierwerk in South Carolina, USA mit dem man Kodak weltweit endgültig die Marktführerschaft streitig macht. 
Fuji-Logo von 1980 bis 2006
Kodak, die selbst auf dem japanischen Markt kaum ein Bein auf den Boden bekommen, fühlt sich mittelfristig so unter Druck, dass die USA sich offiziell 1995 bei der WHO darüber beschweren. Die Beschwerde wird 1998 dann aber zurückgewiesen.
Bei meinen Ausführungen hier habe ich mich auf den fotografischen Film und wenige direkt angrenzende Bereiche konzentriert. Fujifilm hat aber auch einige andere Geschäfte gemacht und für sich entwickelt. Zu nennen sind insbesondere ihre Kooperation mit Rank Xerox (Kopierer), der ganze Gesundheitsbereich (aufbauend auf Röntgenfilm, später auch Endoskopie und andere Diagnostik), sowie Computer und Halbleitertechnik. Genau diese Diversifizierung und ihre Fähigkeit sich den Marktbedingungen und -Veränderungen anzupassen, hat Fujifilm als einzigen der großen Fotokonzerne bis heute gerettet. Lange Zeit machte der Umsatz mit Film mehr als 50% aus, heute ist dieser unter 3%. Der Konzern steht heute auf den drei Säulen Health Care, Advanced Materials und Document Solutions. 

Dr. Emil Mauerhoff, 
"Entwicklungshelfer"
bei Fuji Photo Film
In ihrer Firmenchronik (publiziert zum 50. Jubiläum 1984) erwähnen Fujifilm die Hilfe eines deutschen Dr. EG Mauerhof(f), der von April 1934 bis Februar 1935 in Ashigara war und bei den Anfahr- und Qualitätsproblemen mit der fotografischen Emulsion - und damit der ganzen Firma auf die Füße - geholfen hat. Ich habe mich natürlich gefragt, woher der Mann seine Kenntnisse hatte und ob man sonst noch was über ihn finden kann. Nach längerer Suche bin ich endlich fündig geworden: Es handelt sich wohl um Gustav Emil Mauerhoff (*5.5.1895, +? später wohnhaft in Dessau), der Mittelschule und Realgymnasium in Halle besucht hat und 1922 an der Uni Halle in Chemie zum Dr. phil. promoviert wurde. 1926 tritt er als angestellter Erfinder der I.G. Farben (Agfa in Wolfen) in Erscheinung (DRP 468604, DRP 468171) mit genau den Themen, die für Fujifilm später wichtig werden würden. Ob die IG Farben ihn 1934 auf die lange Dienstreise nach Japan entsandt haben, oder ob er das Abenteuer auf eigene Rechnung als unabhängiger Berater durchgeführt hat, ist eine spannende Frage, die leider hier unbeantwortet bleibt.

Bei KniPPsen weiterlesen Kleinbildfotografie aus der FilmperspektiveFilmhersteller (Teil 1), Filmhersteller (Teil 2)Fujica ST-801Fujinon Zoom, Fujica Rapid S2Konica TC-XKonica FS-1Konica C35VKonica C35AF,
Links Konica (Camera-wiki)Fujifilm History (englisch), Fuji Photo Film Co., Ltd. (50 year history, Japanisch, google translate verwenden)photoguide.jp-1920ies

2024-01-28

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 2, Deutschlands kleinere )

Angebot an Schwarz-Weiß-Filmen bei Photo Porst 1956.


Neben den fünf Filmherstellern, die ich in Teil 1 meiner Serie schon vorgestellt habe, gab es in Deutschland noch ein paar kleinere Produzenten, die zeitweise sogar erfolgreich waren, ihre Stellung aber nicht langfristig behaupten konnten. Zu den folgenden acht habe ich noch ein paar Dinge zusammentragen können:

NPG - Mimosa

Die Neue Photographische Gesellschaft AG wurde 1894 von Arthur Schwarz in Berlin gegründet und war mit einem neuen Verfahren zur massenhaften Vervielfältigung von Fotografien extrem erfolgreich. Man expandierte auch ins Ausland und war nach eigenem Urteil im Jahr 1910 mit 1200 Angestellten das bedeutendste Fotounternehmen der Welt. Ab 1904 bis ca. 1912 wurde auch Film hergestellt ("Emera-Celluloid-Film"). In den Laboren der NPG entwickelte ihr Chemiker Rudolf Fischer 1911 die Grundlagen des modernen Mehrschichten Farbfilms, zu einem fertigen Produkt reicht es damals allerdings noch nicht.
Die NPG gerät nach dem 1. Weltkrieg in eine gehörige finanzielle Schieflage und rettet sich zunächst durch eine Beteiligung des Dresdener Fotopapierherstellers Mimosa. Doch schon 1922 werden die Berliner Betriebe geschlossen, die Fotoaktivitäten zur Mimosa nach Dresden verlegt und die anderen Maschinen und Betriebsmittel an andere Firmen verkauft. 
Anzeige 1938
Die Mimosa geht auf verschiedene Unternehmungen aus Köln und München zurück, die 1903 beschließen ihre Fotopapier-Produktion ins damalige Zentrum der Fotografie Dresden zu verlegen. Man wächst, wandelt die Rechtsform 1913 in eine AG um, beteiligt sich an verschiedenen anderen Unternehmen, unter anderem an der NPG, die man 1922 ganz schluckt. Mit der ICA AG, der späteren Keimzelle von Zeiss Ikon arbeitet man ab 1920 eng zusammen und eröffnet schließlich 1924 die Filmproduktion in Dresden. 1926 wird auch noch der Trockenplattenhersteller Unger&Hoffmann übernommen. Die Blüte der Mimosa-Filmproduktion liegt in den 1930er Jahren, man bleibt aber hauptsächlich Fotopapier-Hersteller. Trotz der bekannten großflächigen Zerstörung Dresdens im 2. Weltkrieg, bleiben die Mimosa Gebäude im Wesentlichen intakt, die Maschinen werden allerdings teilweise demontiert und entweder von der russischen Besatzungsmacht beschlagnahmt oder von ehemaligen Mitarbeitern in den Westen "verlagert". Die alte Seilschaft mit Zeiss Ikon führt dazu, dass in den Gebäuden ab 1947 eine Mimosa Kamera gebaut wird, die Geschichte habe ich ja schon erzählt. Die Produktion wird 1950 wieder als VEB Photopapierwerk Dresden aufgenommen, die Filmherstellung allerdings schon 1954 stillgelegt. Viele Mimosa-Leute, darunter auch das Management, fliehen in die Westzonen und es kommt 1950 zur Gründung einer Mimosa GmbH in Kiel, wo wieder Fotopapier aber kein Film produziert wird. 1960 kauft Bayer Leverkusen die Firma und bringt sie 1964 in die Fusion zu Agfa-Gevaert ein, der Name Mimosa verschwindet auch hier.

Schleussner - ADOX - DuPont

Anzeige 1928
Der Chemiker Carl Schleussner (1830-1899) übernimmt nach Promotion und Heirat die Siegellackfabrik seines Schwiegervaters im Frankfurter Bahnhofsviertel und etabliert dort ab 1860 die erste fotochemische Fabrik der Welt. Als eines der ersten Unternehmen wurden ab 1881 Trockenplatten angeboten. Ab 1892 übernahmen seine Söhne, insbesondere der ebenfalls zum Chemiker ausgebildete und promovierte Carl Moritz (1868-1943) kooperierte mit Wilhelm Röntgen und produzierte als einer der ersten ab 1896 Röntgenfilme. Die Firma expandierte und wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, von der die Kurzform und später die Marke ADOX (Aktiengesellschaft DOktor C. Schleussner) abgeleitet wurde, die allerdings erst ab 1951 zur Kennzeichnung von Produkten genutzt wurde. 
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Ab 1920 übernahm die dritte Generation und führt die Firma zu einer ersten Blüte. Schon ab 1924 schluckt man die Nobel-Film GmbH in Jülich, die wiederum ihren Toxo-Film von der Kino-Film GmbH in Düren übernommen haben, der dort schon seit 1915 mit Erfolg produziert wurde. Carl Adolf Schleussner (1895-1959) verlegte die Produktionsstätten 1927 aus Frankfurt ins neu errichtete große Werk in Neu-Isenburg und konsolidiert dort die gesamte Filmproduktion. Außerdem wird eine Celluloidfilm-Produktion in Wiesbaden-Biebrich eröffnet (Cella GmbH), ab 1928 übernimmt man eine Mehrheitsbeteiligung an Westendorp und Wehner (s. unten).
Ab 1938 übernimmt ADOX die Kameraproduktion von Wirgin in Wiesbaden, deren jüdische Eigentümer vor den Nazis nach USA fliehen mussten. Nach dem Krieg wird der Kauf rück-abgewickelt, ADOX verlegt die eigene Kameraproduktion ins Werk in Biebrich. Ansonsten erlebt die nun Adox Fotowerke Dr. C. Schleussner genannte Firma ab ca. 1950 eine zweite Blüte. Die Kameraproduktion wird ausgebaut und der 1950 erschienene Schwarz-Weißfilm Adox KB17 erlangt als erster Film auf einem sehr dünnen Schichtträger Weltruhm.
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ADOX ist dann 1956 der zweite deutsche Hersteller mit einem Farbfilm und wohl nach Agfa der zweitwichtigste Filmhersteller in Westdeutschland. Fast auf dem Höhepunkt des Erfolgs verstirbt 1959 Carl Adolf Schleussner an den Spätfolgen eines Unfalls, die Familie zieht sich aus dem Fotogeschäft zurück und verkauft 1962 das Werk in Neu-Isenburg und das daran hängende Geschäft an den Chemiegiganten DuPont. Der behält mittelfristig nur das Medizinproduktegeschäft und verkauft Röntgenfilme unter der Marke ADOX. Die normale Filmproduktion wird am 1. August 1964 eingestellt, die Kameraproduktion folgt 10 Monate später. Die Filmproduktions-Maschinen werden 1973 an Fotokemia im damaligen Jugoslawien verkauft, der die alten ADOX-Rezepturen als Efke-Film auf den Markt bringt und bis in die 1990er Jahre verkauft. Dupont veräußert sein Röntgengeschäft 1999 mit der Marke ADOX an seinen Konkurrenten Agfa-Gevaert in Belgien, der die Marke allerdings nicht weiterverwendet und 2003 fallen lässt (DuPont selbst verwendet die Marke immer noch für die Chemikalie Natriumchlorit). Das Berliner Analog-Foto-Start-up Fotoimpex sichert sich die Markenrechte für Fotoprodukte in 2003 und baut seitdem das Portfolio an ADOX Filmen und Fotochemikalien immer weiter aus. Basis sind alte Adox und Agfa Rezepturen.

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Westendorp & Wehner

Die Firma Westendorp & Wehner AG in Köln geht auf eine Trockenplattenfabrik zurück, die 1881 u.a. von dem Fotografen Carl Westendorp gegründet worden war und an der sich im Laufe der Jahre verschiedene private Teilhaber und andere Gesellschaften beteiligt hatten. 1903 werden größere Räumlichkeiten bezogen und die Filmfabrikation aufgenommen, außerdem beteiligt sich Schleussner aus Frankfurt erstmalig. 1918 wird dieser "Gewinnbeteiligungsvertrag neu geregelt", Schleussner Familienmitglieder gelangen in die Geschäftsleitung und 1928 übernimmt Schleussner schließlich die Aktienmehrheit. Inwieweit über die Jahre die Kölner Produktion von der Frankfurter unabhängig blieb oder ob sogar für einander produziert wurde habe ich leider nicht herausbekommen. Allerdings trat man am Markt durchaus unabhängig und mit ähnlichen Produkten auf. Die vom gleichen Grafiker (epstein) gestalteten Anzeigen von 1931 legen aber eine gewisse Kooperation zwischen Mutter- und Tochterfirma nahe. Über die Kriegs- und Nachkriegszeit bei "WW" ist mir nichts bekannt, allerdings wurden auf der photokina 1959 noch Filme mit dem kreisrunden WW-Logo vorgestellt.  

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Eisenberger

Eisenberger Trockenplattenfarbik Otto Kirschten AG, gegründet 1896. Filmfertigung vermutlich ab Ende der 1920er Jahre. Der Flavirid genannte Film hatte zunächst 18° Scheiner, ab 1933 26° Scheiner. 1936 kauft die Familie Kirschten alle anderen Aktien zurück und wird wieder Alleininhaber. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Werk in Thüringen verstaatlicht und als VEB geführt. Man war erst 1950 wieder lieferfähig, stellte ab 1954 nur noch technische Fotopapiere her und wurde Anfang der 1960er Jahre aufgelöst.


Lignose
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Der Lignose-Konzern, hervorgegangen aus der Oberschlesischen Sprengstoff-AG, eigentlich ein Waffen- und Munitionshersteller, richtete nach Ende des Ersten Weltkriegs sein Geschäft verstärkt auf zivile Produkte aus. Schießbaumwolle bildet die Grundlage von Zelluloid, und Lignose gründete die Tochter Lignosefilm GmbH und investierte 1924 in eine Filmfabrik am Standort Nüssau bei Hamburg. Ab 1926 werden Roll- und Planfilme hergestellt und unter dem Markennamen Lignosefilm vertrieben. Schon Ende 1927 wird die Lignosefilm GmbH an die I.G.Farben (Agfa) verkauft, die den Konkurrenten stilllegt und die Gebäude verkauft.

Lomberg - Byk Guldenwerke

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Trockenplatten, 1923
Ernst Gottlieb Lomberg (* 1829 + 19.5.1898) ist eigentlich Konditor in Langenberg (Rheinland). Er erlernt er das Fotografieren, errichtet ein Atelier, gibt schließlich seine Konditorei auf und widmet sich nur noch der Herstellung von Lichtbildern. Aus der Not heraus fertigt er zunächst Fotoplatten für den Eigenbedarf und gründet 1882 schließlich in Langenberg seine eigene Trockenplattenfarbik. Nach seinem Tod 1898 übernehmen die Schwiegersöhne Moritz Morgenstern und Albert Pohlig die Leitung des Unternehmens und weiten die Produktion aus. 1930 Bau der Filmfabrik. Produkte: Filme für den Tiefdruck, Elochrom-Film für den Amateur. 1931 übernimmt der Konzern Byk-Gulden die Firma „Ernst Lomberg-Photochemische Produkte“ und nennt sich jetzt „Byk-Gulden-Lomberg“. Die chemischen Fabriken Heinrich Byk (Berlin, seit 1873) und Paul Gulden (Leipzig, 1896) hatten beide neben Pharmazie auch Fotochemie und -Papiere im Programm, fusionierten 1918 und legten ihre Betriebe schließlich 1924 in Oranienburg zusammen. Durch die Übernahme von Lomberg konnte der Kundschaft endlich auch Fotoplatten und -Filme angeboten werden. Allerdings war man mit der Entwicklung neuer Rollfilme nicht so erfolgreich wie erhofft (starke Konkurrenz...!) und schloss daher die Fotoabteilung 1937. Die Firma Byk existiert heute noch als 100%ige Altana Tochter und produziert Spezialchemie. 

Kranseder & Cie., München 

Gegründet ca. 1904 als Trockenplattenfabrik in München. Filmproduktion ab 1932 bis vermutlich 1956. Die Gesellschaft wird  1955 von den Erben verkauft, wer der neue Eigentümer war, konnte ich bisher nicht herausfinden. Danach wird Film von Adox und später auch ausländischen Filmherstellern konfektioniert und unter der Marke Kranz verkauft (auch Farbfilme unter  Kranz-Color bzw.  Kranz-Chrome).  Ab 1968 zieht die Firma schrittweise nach Mitterndorf in Niederbayern um und wird 1974 aufgegeben.

Bergmann - Turaphot

Tura 17, haltbar bis Juni 1968
Dr. Carl Bergmann gründet 1901 in Wernigerode/Harz die Fotopapierfabrik Bergmann & Co, die Produkte tragen die Bezeichnung Beco. Ab 1915 fertigt man für den Kriegsbedarf auch noch Trockenplatten. Ab 1921 wird mit der Filmherstellung begonnen, ab 1923 sogar auf eigenem Rohzelluloid. 1942 beschließen die Gesellschafter die Firma in Turaphot GmbH umzubenennen.  Nach dem 2. Weltkrieg und der deutschen Teilung kommt es auch hier zu zwei Nachfolgebetrieben. Das Werk in Wernigerode wird zunächst als VEB Turaphot, ab 1958 dann als VEB Photopapierwerk Wernigerode geführt und im Januar dann in den VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen (ORWO) eingegliedert. Die Filme Turapan 17° und 20° werden nur kurze Zeit produziert (vermutlich in den 1950ern). Die ehemaligen Eigentümer und Mitarbeiter gründen die Turaphot GmbH 1948 in Düren am Niederrhein neu. In einer ehemaligen Papierfabrik wird wieder Fotopapier produziert, (Schwarz-Weiß-)Filme werden ab 1950 im Zweigbetrieb Kaltenberg/Eifel hergestellt. Wie lange konnte ich nicht herausfinden, vermutlich bis Anfang der 1970er. Danach wurde nur noch umkonfektioniert. Ab 1963 werden auch Turachrome und Turacolor Farbfilme angeboten (vermutlich Dynacolor, USA). Turaphot waren die ersten, die 1969 PE-beschichtetes Fotopapier auf den Markt brachten. 1995 meldet die Firma Konkurs an und wird danach wohl mit neuem Geschäftsmodell neu gegründet. Man konfektioniert zugekauften Film, Fotopapier und -Chemie und vertreibt es unter der eigenen Marke, Ende 2005 ist aber dann endgültig Schluss. Auch im ursprünglichen Werk im Harz werden ab der Wende noch eine Zeit lang Fotopaier und -Filme konfektioniert. Die Gebäude wurden 2011 abgerissen. 

Ob das jetzt alle deutschen Filmhersteller waren, kann ich nicht mit 100%iger Sicherheit sagen. Auf meiner Liste hatte ich noch Matter in Mannheim, Maro (Mayer & Rotzler) in Karlsruhe sowie Cawo in Schrobenhausen. Die beiden ersten sind Trockenplattenhersteller gewesen, denen Film angedichtet wurde. Ich konnte keine weiteren Belege für tatsächliche Filmproduktion finden. Cawo ist nach dem 2. Weltkrieg von ehemaligen Mimosa Managern mit dem Zweck gegründet worden, Filme und Fotopapier zu produzieren. Sie sind allerdings gescheitert und wurden 1953 schon von Perutz absorbiert.

Und dann gibt es natürlich noch ausländische Filme, die auf dem deutschen Markt auftauchten. Das wird irgendwann mal Teil 3 dieser Serie. Viele dieser Filme gelangen auch unter anderem Namen auf den Markt. Das sogenannte Hausmarkengeschäft hat insbesondere ab 1970 eine große Konjunktur und nicht immer ist in einer Schachtel mit einer deutschen Marke auch deutscher Film drin!